Dr. Franz-Josef Esser, Leiter Stabsstelle Ethikkomitee und palliativmedizinische Versorgung, Vorsitzender des Ethikkomitees
St. Augustinus Gruppe
Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben: Dies ist ein Ausdruck persönlicher Autonomie, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen in der Sterbebegleitung in den Krankenhäusern, Psychiatrien sowie Einrichtungen für Senioren und Menschen mit Behinderung der St. Augustinus Gruppe hat das Ethikkomitee des Unternehmens ein wegweisendes Positionspapier mit dem Titel „Sterbewünsche zwischen Autonomie und Lebensschutz“ erarbeitet. Es stellt die Haltung der St. Augustinus Gruppe zu Fragen am Lebensende – hier speziell zum Assistierten Suizid – dar. Denn in unseren verschiedenen Einrichtungen begegnen uns nahezu täglich Sterbewünsche, und als St. Augustinus Gruppe werden wir immer wieder nach unserer Position zum Assistierten Suizid gefragt. Auf dieser Website erklären wir unsere Haltung und stellen dabei klar:
Das Positionspapier liegt in einer Lang- und einer Kurzfassung vor. Beide Handreichungen sind Hilfestellung und Handlungsempfehlung für Mitarbeitende, denen sich Patienten, Klienten oder Bewohner mit einem Sterbe- oder Suizidwunsch anvertrauen. Auch Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit stellen wir unsere Sicht auf die Herausforderungen am Ende des Lebens dar.
Im Bereich „Fragen und Antworten“ gehen die Autoren des Positionspapiers und Mitglieder des Ethikkomitees direkt auf Fragestellungen ein, die sich im Arbeitsalltag ergeben.
Die Ausarbeitung des Papiers dauerte ungefähr ein Jahr. Die Inhalte wurden breit in die Mitarbeiterschaft getragen, sehr intensiv diskutiert und von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlichster Hierarchieebenen erörtert. Das Ethikkomitee besteht aus knapp 20 Menschen und ist sehr froh, so viele Rückmeldungen und positives Feedback zum Positionspapier erhalten zu haben.
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages befasst sich Ende November 2022 mit den vorliegenden Gesetzentwürfen. Mit einem Inkrafttreten des novellierten Gesetzes rechnen Fachleute nicht vor Frühjahr 2023.
Ja! Sollte es trotz aller Bemühungen und Hilfestellungen im privaten Wohnraum innerhalb unserer Einrichtung zu einem Assistierten Suizid kommen, dann wollen wir dem Bewohner auch weiter mit Fürsorge und Zuwendung beistehen. Es ist die autonome Entscheidung des einzelnen Mitarbeitenden, ob er dem Bewohner oder Klienten während der Suizidhandlung beistehen möchte. Mitarbeitende, die den ihnen anvertrauten Menschen in der letzten Lebensphase beistehen, droht keinerlei Sanktion, aber sie dürfen eben nicht aktiv am Assistierten Suizid mitwirken.
Ich höre ihm zu, nehme ihn ernst und bleibe gesprächsbereit. Ich informiere meinen Vorgesetzten bzw. das Team.
Der oder die Vorgesetzte muss in jedem Fall zeitnah informiert werden.
Ich bespreche die Situation im Team und kläre, wer aus dem Team mit dem Bewohner/ Klienten/Patienten bezüglich seines Wunsches im Gespräch bleibt. Gegebenenfalls suche ich externe Unterstützung, zum Beispiel durch die Seelsorge, durch Mitglieder des Ethikkomitees oder durch Psychologen bzw. Psychologinnen über die Fachkliniken.
Wenn Zweifel an der Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches bestehen, muss immer ein Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie hinzugezogen werden.
Eine bessere Besetzung für den Arbeitsbereich ist nicht möglich. Betroffene Teams haben die Möglichkeit entlastende Unterstützungsangebote zu nutzen. Beispielsweise stellen wir den Mitarbeitenden seelsorgerische und psychologische Unterstützungsangebote zur Verfügung. Für betroffene Teams werden darüber hinaus Angebote zur Supervision gemacht.
Jeder Betroffene entscheidet selbst, ob und welche unserer Unterstützungsangebote er annimmt. Es ist unsere Überzeugung, dass eine würdevolle Gestaltung des Lebens bis zuletzt möglich ist.
Es ist die autonome Entscheidung jedes einzelnen Mitarbeitenden, ob er einem Bewohner/Klienten/Patienten auch während der Assistierten Suizidhandlung beistehen möchte. Beistehen bedeutet hier eine liebevolle Sterbebegleitung; genauso, wie wir uns das bei jedem Menschen in seiner letzten Lebensphase wünschen. Mitarbeitende haben keine Sanktionen zu befürchten; egal ob sie die Betreuung von suizidwilligen Bewohnern/Klienten/Patienten während der Assistierten Suizidhandlung ablehnen oder ob sie sich entscheiden, ihnen bis zuletzt im oben genannten Sinne beizustehen. Eine aktive Mitwirkung an dem Akt der Suizidassistenz dagegen ist Mitarbeitenden im Rahmen ihrer dienstlichen Verpflichtungen nicht gestattet.
Unter lebensbejahender Beratung verstehen wir, dass wir Hilfestellungen für ein Weiterleben in besonders schwierigen Lebenssituationen anbieten (Ausführungen dazu siehe Positionspapier, S. 7). Es ist keine besondere Kommunikationstechnik.
Jeder Mitarbeiter darf lebensbejahende Gespräche führen.
Nein. Wir beteiligen uns weder an der Organisation noch an der Durchführung eines Assistierten Suizids.
Alternativ bieten wir Hilfestellungen für ein Weiterleben in besonders schwierigen Lebenssituationen an (s. Positionspapier, S.7).
Wir beteiligen uns weder an der Organisation noch an der Durchführung eines Assistierten Suizids. Soweit die Bewohner/Klienten/Patienten es wünschen und zur Informationsbeschaffung selbst nicht in der Lage sind, geben wir Informationen zu weiteren Beratungsmöglichkeiten innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Zum jetzigen Zeitpunkt (November 2022) steht eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe durch den Bundestag noch aus.
Anfragen von Sterbehilfeorganisationen für werbende Maßnahmen werden in unseren Einrichtungen unterbunden. In den somatischen und psychiatrischen Kliniken wird auch der Zutritt einer Sterbehilfeorganisation unter Ausübung des Hausrechts unterbunden. In den privaten Wohnräumen der Behinderten- und Seniorenhilfe respektieren wir die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Ob und wie ein Bewohner/Klient/Patient seine Kontaktaufnahme zu einer Sterbehilfeorganisation mitteilt, liegt allein in seiner Entscheidung. Die Wahrnehmung einer solchen Kontaktaufnahme gibt Anlass, auf den Bewohner/Klienten/Patienten zuzugehen und unser Angebot der seelsorgerischen und psychosozialen Betreuung zu intensivieren. Unsere Bemühungen gehen dahin, Alternativen zu einem Suizid aufzuzeigen und zu ermöglichen. Bei Konkretisierung eines Wunsches zur Durchführung eines Assistierten Suizids ist die Veranlassung einer Ethischen Problembearbeitung verpflichtend.
Wir wollen unsere Mitarbeitenden bestmöglich vor psychischer Überlastung im Umgang mit Sterbewilligen schützen. Wir stellen den Mitarbeitenden seelsorgerische und psychologische Unterstützungsangebote zur Verfügung. Für betroffene Teams werden darüber hinaus Angebote zur Supervision gemacht.
Ja. Die Kontaktdaten für die Klinikseelsorge sind an den jeweiligen Telefonzentralen der Einrichtungen hinterlegt und können erfragt werden.
Obwohl es schon Angebote zur hospizlichen und palliativmedizinischen/-pflegerischen Versorgung in unserem Unternehmen gibt, sind diese bisher nicht in allen Einrichtungen in ausreichendem Maße verfügbar. Deshalb gibt es – in den einzelnen Unternehmensbereichen bzw. Einrichtungen in unterschiedlichem Ausmaß – durchaus Bedarf für einen weitergehenden Ausbau und für eine Intensivierung der Vernetzung dieser Angebote.
Außer der Abteilung für Palliativmedizin am Johanna Etienne Krankenhaus, dem Augustinus Hospiz, dem ambulanten Hospizdienst Cor unum und einer hohen Rate an Mitarbeitenden mit Weiterbildung in palliative care Pflege gibt es verschiedene innerbetriebliche Fortbildungsangebote (siehe IBF-Katalog).
Die Möglichkeit einer Ethischen Fallbesprechung / Problembearbeitung unterstützt die Mitarbeitenden bei der Begleitung und Betreuung von sterbewilligen Menschen und soll den Mitarbeitenden Sicherheit für das weitere Vorgehen geben.
Dr. Franz-Josef Esser, Leiter Stabsstelle Ethikkomitee und palliativmedizinische Versorgung, Vorsitzender des Ethikkomitees
St. Augustinus Gruppe