Das Guillain-Barré-Syndrom

Ursachen, Symptome und Behandlung des GBS

Kribbeln, leichte Schwäche in den Beinen oder Lähmungserscheinungen sind Anzeichen für das Guillain-Barré-Syndrom. Die seltene, rasch fortschreitende Autoimmunkrankheit des Nervensystems kann sowohl im Kinder- als auch Jugendalter und bei Erwachsenen auftreten. In seltenen Fällen kann die Krankheit Funktionen von lebenswichtigen Muskeln, wie der Atemmuskulatur, beeinträchtigen und lebensbedrohlich werden, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird.

Doch was genau ist das Guillain-Barré-Syndrom und wie äußert sich diese Erkrankung? In unserem Ratgeber erfahren Sie, welche Ursachen hinter diesem Syndrom stecken und wie es diagnostiziert wird. Wir erklären Ihnen außerdem, wie das GBS beginnt, welche genauen Symptome auftreten können und welche möglichen Therapien es dafür gibt.

Definition: Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder auch akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie bzw. akute idiopathische Polyneuritis ist eine entzündliche Erkrankung der Nerven, die zur Gruppe der Autoimmunerkrankungen zählt. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich die sogenannten Autoantikörper gegen den eigenen Körper und führen so zu Erkrankungen. Die Autoantikörper beim GBS sind gegen das periphere Nervensystem gerichtet, das uns erlaubt, zu fühlen und uns zu bewegen.

Die Nerven, bestehend aus einem Zellkörper und einer Nervenfaser, sind von einer isolierenden Schicht, der Myelinschicht, umgeben. Diese macht eine schnelle Übertragung von Signalen durch die Nervenbahnen möglich. Dadurch, dass beim Guillain-Barré-Syndrom die Antikörper irrtümlich die Myelinschicht angreifen, wird diese geschädigt, sodass die Übertragung von Informationen beeinträchtigt wird. Das kann zur Schwäche der Muskeln oder Lähmungen führen, wobei häufig zunächst die Nerven an Füßen und Beinen betroffen sind.

Das GBS ist eine seltene Autoimmunkrankheit, die jährlich etwa bei einer bis zwei Personen pro 100.000 auftritt, und sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen und im Jugendalter auftreten kann. Allerdings sind Männer häufiger betroffen als Frauen.

Welche Varianten gibt es beim GBS?

Zu den Varianten des Guillain-Barré-Syndroms zählen:

  • Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP), die als klassisches GBS gilt
  • Miller-Fisher-Syndrom
  • MFS-GBS-Syndrom
  • Akute motorische axonale Neuropathie (AMAN)
  • Akute motorisch sensible axonale Neuropathie (AMSAN)
  • Pharyngeo-zerviko-brachiale Variante (PCB-Variante)
  • Rein sensible, motorisch oder ataktische Variante
  • Ropper Veriante
  • Paraparetisches Guillain-Barré-Syndrom
  • Akute Pandysautonomie

Wodurch kann das Guillain-Barré-Syndrom entstehen?

Die genaue Ursache des Guillain-Barré-Syndroms ist derzeit nicht geklärt. Allerdings deuten Hinweise darauf hin, dass eine Immunreaktion gegen die eigenen Nerven vorliegt. Häufig wird diese Reaktion durch Infektionen von unterschiedlichen Erregern wie Bakterien und Viren ausgelöst.

Zu den am häufigsten GBS verursachenden Bakterien zählen Campylobacter jejuni mit 30 Prozent, während CMV (Herpesviren) zu den mit 10 Prozent häufigsten GBS auslösenden Viren zählen. Allerdings können auch Atemwegs- oder Magen-Darm-Infekte das Syndrom verursachen.

Weitere mögliche Ursachen sind Impfungen wie etwa gegen Tetanus, Polio, Influenza oder Tollwut, Immuncheckpoint-Inhibitoren wie Nivolumab oder eine Schwangerschaft. Doch auch chirurgische Eingriffe, insbesondere orthopädische, gastrointestinale und kardiologische, können das Guillain-Barré-Syndrom hervorrufen. Denn der Körper aktiviert nach jedem Eingriff das Immunsystem.

Wie äußert sich das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom ist gekennzeichnet durch plötzliches Einsetzen von Beschwerden. Diese reichen von Problemen beim Gehen über leichte Schmerzen bis hin zur Schwäche der Muskulatur, Kribbeln, Empfindungsverlust oder Lähmungen. Diese Symptome treten meist in den Beinen auf und breiten sich anschließend nach oben auf die Arme aus. In manchen Fällen beginnen die Symptome in den Armen oder im Kopf, von denen aus sie sich nach unten hin ausbreiten.

Tritt das GBS auf, sind die Reflexe abgeschwächt oder fehlen gänzlich. Sobald die ersten Symptome auftreten, erreichen diese bei 90 Prozent der Betroffenen nach drei bis vier Wochen den Höhepunkt. Ist beispielsweise die Atemmuskulatur betroffen, ist etwa bei fünf bis zehn Prozent der Patientinnen und Patienten eine künstliche Beatmung erforderlich.

Bei einer schwerwiegenden Erkrankung entwickeln über die Hälfte der Betroffenen eine Schwäche in der Gesichts- und Schluckmuskulatur, sodass sie beim Essen würgen müssen, dehydriert sind und an Mangelernährung leiden.

Sind die Symptome besonders stark ausgeprägt, können die vom vegetativen Nervensystem gesteuerten inneren Funktionen gestört werden und zu Beschwerden wie Blutdruckschwankungen, Herzrhythmusstörungen, Harnverhalten und ausgeprägter Verstopfung führen.

Bei einer der GBS-Varianten, dem Miller-Fisher-Syndrom, werden etwa die Augen unbeweglich, der Gang unsicher und die Reflexe fehlen.

Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von den jeweils betroffenen Nerven. Das sind die häufigsten Beschwerden:

  • Schwäche in den Gliedmaßen
  • Empfindungsstörungen wie Taubheitsgefühle oder Kribbeln
  • Schmerzen etwa im Rücken, in den Füßen, Beinen, Händen oder Armen
  • Störungen der Koordination beim Gehen
  • Lähmungen
  • Sehstörungen wie beeinträchtigte Augenbeweglichkeit oder Doppelbilder
  • Probleme beim Sprechen und Schlucken
  • Störungen der Atmung
  • Herz-Kreislauf-Probleme wie hoher Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen
Eine Frau, die ihren Arm umfasst, symbolisiert Lähmungserscheinungen als Symptom des Guillain-Barré-Syndroms.

So erfolgt die Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms

Besteht durch die Symptomatik der Verdacht auf das Guillain-Barré-Syndrom, wird zur Diagnostik zunächst eine Anamnese erhoben und eine körperliche Untersuchung durchgeführt. Bemerkt die Ärztin oder der Arzt abgeschwächte oder fehlende Reflexe, erhärtet sich der Verdacht auf das GBS. Um eine verlässliche Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms stellen zu können, müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden.

Liquoruntersuchung

Die Flüssigkeit des Gehirns und Rückenmarks im Wirbelkanal nennt sich Liquor und wird im Rahmen einer Lumbalpunktion entnommen und im Labor untersucht. Ist im Liquor eine starke Erhöhung von Eiweiß oder das Fehlen von weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) messbar, deutet das auf das Vorliegen eines GBS hin.

Elektroneurographie

Eine weitere Möglichkeit zur Diagnostik des Guillain-Barré-Syndroms ist die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Leiten die Nerven Erregungen nicht richtig weiter, ist dies ein Anzeichen für das Syndrom.

Elektromyographie (EMG)

Bei dieser Untersuchung wird geschaut, ob und inwiefern die Muskeln auf elektrische Signale reagieren.

Blutuntersuchung

Bei einer Blutuntersuchung können die Autoantikörper unter Umständen nachgewiesen werden. Zudem lassen sich andere Erkrankungen ausschließen, die ähnliche Symptome aufweisen. Zu beachten ist allerdings, dass die Blutwerte bei einem bestehenden Guillain-Barré-Syndrom unauffällig sein können.

GBS – Verlauf und Prognose

Der Verlauf des Guillain-Barré-Syndroms kann unterschiedlich sein, sodass es sowohl beim Verlauf als auch bei der Prognose keine genaue Leitlinie gibt. Bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen erscheinen erste Symptome eines GBS innerhalb von fünf Tagen bis drei Wochen nach einer Infektion, Operation oder Impfung. Die dadurch hervorgerufene Schwäche nimmt anschließend innerhalb von drei bis vier Wochen zu und kann entweder für einige Zeit bestehen bleiben oder aber zurückgehen und verschwinden. Ein Zunehmen der Symptome für mehr als acht Wochen deutet allerdings nicht auf das Guillain-Barré-Syndrom hin, sondern auf eine chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP). Meist tritt die Muskelschwäche zunächst in den Beinen auf und breitet sich anschließend nach oben hin aus.

Nach etwa zwei Monaten kommt das Fortschreiten der Erkrankung zum Stillstand. Wird das Syndrom früh behandelt, tritt meist innerhalb von Tagen oder Wochen Besserung ein. Ohne Behandlung dauert eine Heilung bei den meisten Betroffenen einige Monate. Etwa drei Prozent der Patientinnen und Patienten versterben an plötzlichen Komplikationen wie Atemlähmungen, Lungenembolien oder kardialen Arrhythmien. Einige Erwachsene, aber auch vermehrt Kinder, leiden noch drei Jahre nach dem Beginn des Guillain-Barré-Syndroms an der verbleibenden Schwäche.

Welche Möglichkeiten zur Behandlung des GBS gibt es?

Das Guillain-Barré-Syndrom kann sich jederzeit schnell verschlechtern oder sich in weitere Bereiche des Körpers ausbreiten, sodass Betroffene im Krankenhaus behandelt und überwacht werden müssen. Dabei werden regelmäßig unter anderem Puls, Blutdruck und Temperatur überprüft, um mögliche lebensbedrohliche Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen oder eine Schwäche der Atemmuskulatur rechtzeitig zu erkennen und behandeln zu können.

Je nach Schwere und Bedarf stehen unterstützende Maßnahmen wie Physiotherapie, Schmerzmittel, künstliche Ernährung oder Beatmung zur Verfügung.

In schweren Fällen und zur Unterstützung der Heilung können beim Guillain-Barré-Syndrom Medikamente wie Immunglobuline verabreicht oder ein Plasmaaustausch mit mehr Lymphozyten durchgeführt werden. So werden schädliche Antikörper aus dem Blut entfernt.

Die Grafik zeigt eine Betroffene des Guillain-Barré-Syndroms, die im Krankenhaus überwacht und behandelt wird.

An wen können sich Betroffene bei Anzeichen wenden?

Da sich die Anzeichen und Beschwerden des Guillain-Barré-Syndroms schnell verschlimmern können und es in manchen Fällen lebensbedrohlich werden kann, sollten Betroffene umgehend eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Neurologie aufsuchen.

Guillain-Barré-Syndrom –Therapiemethoden in den Kliniken der St. Augustinus Gruppe

Die St. Augustinus Gruppe bietet Patientinnen und Patienten mit dem Guillain-Barré-Syndrom eine umfassende medizinische Betreuung. In unserer Neurologie stehen neben moderner Diagnostik auch individuell angepasste Therapieansätze zur Verfügung, um die Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und eine geeignete Therapie gewährleisten zu können. Da diese Autoimmunerkrankung die körpereigenen Nerven angreift und es dabei zu Schwäche der Muskeln, Kribbeln und motorischen Problemen bei Betroffenen kommen kann, umfasst unser Behandlungskonzept beim Guillain-Barré-Syndrom neben Medikamenten wie Immunglobulinen und einem Plasmaaustausch auch Physiotherapie. Diese hilft, die Gelenk- und Muskelfunktion sowie Mobilität zu erhalten. So ermöglichen wir Patientinnen und Patienten mit dem GBS die bestmögliche Therapie und die Möglichkeit auf Heilung.

Das Team der Neurologie unterstützt Betroffene in der Behandlung des Guillain-Barré-Syndroms.

Kliniken der St. Augustinus Gruppe mit Schwerpunkt Neurologie

Wir beantworten Ihre Fragen zum Thema Guillain-Barré-Syndrom

FAQ

Ist das Guillain-Barré-Syndrom heilbar?

Ja, das Guillain-Barré-Syndrom ist in den meisten Fällen heilbar. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten kann vollständig genesen, bleibt symptomfrei oder leidet unter deutlich milderen Beschwerden.

Ist GBS gefährlich?

Das Guillain-Barré-Syndrom kann durch sein rasches Fortschreiten in seltenen Fällen zu Komplikationen wie etwa Lähmungen, Atem- und Herzkreislaufproblemen, Lungenembolien oder Langzeitschäden führen. In etwa drei Prozent der Fälle versterben Betroffene an den Folgen der Komplikationen.

Wie hoch ist die Lebenserwartung beim Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom beeinflusst die Lebenserwartung nicht. Allerdings kann es in manchen Fällen nach der Genesung zu Langzeitsymptomen wie leichter Schwäche oder Schmerzen kommen.

Hat man bei GBS Schmerzen?

Beim Guillain-Barré-Syndrom können Schmerzen in unterschiedlichen Stärken auftreten. Diese äußern sich durch Kribbeln, Brennen, einem Taubheitsgefühl oder neuralgischen Schmerzen, die als Nervenschmerzen an den betroffenen Stellen erscheinen.

Wie lange dauert das Guillain-Barré-Syndrom?

Eine genaue Leitlinie über die Dauer gibt es nicht. Allerdings erreichen in der Regel die Beschwerden des Guillain-Barré-Syndroms ihren Höhepunkt innerhalb von vier Wochen und bilden sich anschließend wieder zurück. Etwa 60 bis 80 Prozent der Patientinnen und Patienten haben nach sechs Monaten beinahe keine Beschwerden mehr, während etwa Hälfte nach einem Jahr vollständig genesen ist.

Das sagen unsere Experten zum Thema Guillain-Barré-Syndrom

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