Asperger-Syndrom

Definition, Symptome und Behandlung der Störung

Das Asperger-Syndrom ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die zur Autismus-Spektrum-Störung gehört. Dabei können die unterschiedlichen Symptome verschiedene Schweregrade haben, was zu erheblichen Herausforderungen im Alltag oder aber lediglich zu leichten Einschränkungen führen kann. In vielen Fällen tritt die Entwicklungsstörung bereits im frühkindlichen Alter auf und entwickelt sich im Laufe des Lebens individuell.

Was das Asperger-Syndrom genau ist, welche Anzeichen es für diese Störung gibt und wie die autistische Form verläuft, erklären wir in diesem Ratgeber.

 

Definition: Was ist das Asperger-Syndrom?

Das Asperger-Syndrom ist eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und wird daher auch als Asperger-Autismus bezeichnet. Es handelt sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch Schwierigkeiten in sozialer Interaktion sowie eingeschränkte, wiederholende Verhaltensmuster und Interessen äußert. Der österreichische Kinderarzt Hans Asperger hat die Störung erstmals in den 1940er Jahren beschrieben, weshalb sie nach ihm benannt wurde.

Menschen mit Asperger-Syndrom sind häufig normal bis überdurchschnittlich intelligent und zeigen keine signifikanten Sprachverzögerungen, was es von anderen Formen des Autismus wie etwa dem frühkindlichen Autismus unterscheidet. Ob es sich beim Asperger-Syndrom um eine Krankheit oder ein Syndrom handelt, ist umstritten.

 

Ursachen und Risikofaktoren des Asperger-Syndroms

Da das Asperger-Syndrom zur Autismus-Spektrum-Störung gehört, kann es wie Autismus im Allgemeinen durch genetische Veränderungen bedingt sein, die das Risiko erhöhen, eine autistische Störung zu entwickeln. So haben beispielsweise einige vom Asperger-Syndrom Betroffene nahe Verwandte ebenfalls mit Asperger oder ähnlichen autistischen Verhaltensweisen. Untersuchungen zeigen außerdem, dass ein höheres Alter der Eltern das Risiko einer Entwicklung des Asperger-Syndroms oder anderer autistischer Störungen erhöht.

Weitere Risikofaktoren sind Virusinfektionen während der Schwangerschaft wie etwa Röteln oder Diabetes bei der Mutter. Bei extremen Frühgeburten steigt ebenfalls das Risiko für das Asperger-Syndrom.

Auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten während der Schwangerschaft kann zum Asperger-Syndrom führen, etwa bei der Krankheit Epilepsie.

Zudem scheinen neurologische und biochemische Auffälligkeiten bei Autistinnen und Autisten eine Rolle zu spielen. So können Unregelmäßigkeiten der elektrischen Hirnströme, ein abweichender Aufbau unterschiedlicher Hirnregionen oder eine veränderte Aufteilung der Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter) bestehen.

Die Annahme, autistische Störungen seien auf eine fehlende Liebe der Eltern zurückzuführen, stimmt nicht. Auch die Art der Erziehung sowie die Bindung zu den Eltern hat keinen Einfluss auf die Entwicklung dieser Störung. Dies gilt auch für Alkoholkonsum und eine starke psychische Belastung der Mutter während der Schwangerschaft. Ebenso lässt sich nicht belegen, dass Impfungen das Risiko des Asperger-Syndroms oder einer anderen Form von Autismus steigern.

 

Symptome des Asperger-Syndroms

Menschen mit Asperger-Syndrom können nicht nur Herausforderungen in den Bereichen soziale Interaktion, Kommunikation und Interessen haben, sondern auch besondere Stärken besitzen.

Wie sich das Asperger-Syndrom im Einzelnen äußert, ist unterschiedlich. Das Hauptmerkmal dieser Entwicklungsstörung sind allerdings Probleme bei der sozialen Interaktion. Das Denken von Menschen mit Asperger-Syndrom ist kognitiv, vorurteilsfrei, lösungsorientiert und logikbasiert. Sie verarbeiten Informationen und Reize anders als nicht Betroffene. Das führt zu einer ungefilterten Reizaufnahme aus dem Umfeld, was zu einer Reizüberflutung führen kann.

Was das Asperger-Syndrom so schwer erkennbar macht, ist die im Einzelfall geringe Ausprägung der Symptome, die als normal gelten können. Dennoch können folgende Anzeichen auf das Asperger-Syndrom hindeuten:

Ein Kleinkind mit Asperger-Syndrom wird von einer Ärztin untersucht.

Verbale Kommunikation

  • Vermeiden von Kommunikation ohne Informationsgehalt wie etwa Smalltalk
  • in der Regel normale Sprachentwicklung, in manchen Fällen pedantische, veraltete Sprechweise oder Nachahmung des Gesprochenen in der Kindheit
  • Auffälligkeiten in der Sprachmelodie und Intonation, langsame und zum Teil emotionslos wirkende Sprechweise
  • Schwierigkeiten beim Verstehen zweideutiger Aussagen, von Sarkasmus, Ironie oder Witzen; Aussagen und Redewendungen können wörtlich aufgefasst werden

Nonverbale Kommunikation

  • Gestik und Mimik werden reduziert, da nur das gesprochene Wort zählt
  • nonverbale Kommunikationssignale der Mitmenschen werden nicht aufgenommen oder werden falsch verstanden, während eigene nonverbale Signale nicht richtig eingesetzt werden
  • Reziprozität bzw. die Gegenseitigkeit in sozialen Interaktionen ist defizitär; etwa bei einem Lächeln der Eltern lächelt das Kind nicht zurück
  • Abweichungen im Blickverhalten; manche Autistinnen und Autisten vermeiden Blickkontakt gänzlich

Emotionalität

  • verminderte oder in manchen Bereichen verstärkte Empathie
  • eingeschränkte emotionale Intelligenz in manchen Teilbereichen

Verhaltensweisen

  • stereotypes Anordnen von Gegenständen, das für Außenstehende einem nicht oder nicht sofort erkennbaren System entspricht; diese Verhaltensweise kann jedoch auch bei anderen psychischen Störungen im Kindesalter vorkommen
  • Stereotype, ritualisierte Verhaltensmuster
  • Stressreaktionen bei Änderungen bei Vorgehensweisen und Planungen
  • Überraschungen und Spontaneität überfordern Menschen mit dem Asperger-Syndrom

Sozialverhalten

  • häufig introvertiert; wenn Betroffene Kontakt suchen, dann zu älteren Kindern oder Erwachsenen und weniger zu Gleichaltrigen
  • Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion; keine oder ungenügende Wahrnehmung sozialer Regeln
  • Autistinnen und Autisten fühlen sich häufig deplatziert und andersartig
  • Kinder mit Asperger-Syndrom äußern ganz direkt ihre Gedanken ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer
  • starkes Bedürfnis nach Wahrheit und Ehrlichkeit und teilweise starker Gerechtigkeitssinn; diese Ehrlichkeit erwarten sie auch von anderen und erscheinen daher für andere häufig naiv und leichtgläubig

Kognition

  • Bedürfnis nach klaren Regeln und Strukturen und damit einhergehender Sicherheit
  • Probleme, die Gefühle und Gedanken anderer nachzuempfinden
  • Berührungen, Umarmungen und Händeschütteln bei Begrüßungen werden vermieden
  • in der Regel durchschnittliche Intelligenz; in manchen Bereichen überdurchschnittlich intelligent
  • besseres Erkennen von Mustern, Strukturen, Fehlern, Zahlen und Bildern
  • begrenzte Interessen oder besonders intensive Spezialinteressen, die die Bewältigung des Alltags erschweren
  • Schwierigkeiten, komplexe Abläufe zeitlich und räumlich zu gliedern

Motorik

  • Beeinträchtigung und Störung der Grob- und Feinmotorik

Wenn einzelne Symptome auftreten, heißt es allerdings nicht, dass die betroffene Person eine autistische Störung hat. Ob es sich um das Asperger-Syndrom handelt oder welche andere Bedeutung diese Symptome haben könnten, kann nur von erfahrenen Spezialistinnen und Spezialisten bewertet werden.

Das Asperger-Syndrom ist im Erwachsenenalter nicht sofort erkennbar, da Betroffene häufig gelernt haben, ihre Einschränkungen zu kompensieren. So können Menschen mit Asperger-Syndrom nach außen hin normal erscheinen, während sie innerlich massiv unter ihrem Alltag und unterschiedlichen Situationen leiden können.

 

Verlauf des Asperger-Syndroms

Der individuelle Verlauf bei Menschen mit Asperger-Syndrom ist schwer vorherzusagen. Allerdings deuten Untersuchungen auf einen stabilen Verlauf der Erkrankung hin. Viele zeigen eine Verbesserung im Bereich des Kontakt- und Sozialverhaltens im Laufe der Zeit, auch wenn die grundlegenden Störungen weiterhin erhalten bleiben. Manche Autistinnen und Autisten mit Asperger-Syndrom können kein eigenständiges Leben führen, während andere sowohl eine stabile Partnerschaft als auch einen Beruf haben, in dem sie möglicherweise ihr Spezialinteresse einbringen können. Unter Umständen kann allerdings der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen mit Schwierigkeiten verbunden sein.

Zudem sind mögliche Begleiterkrankungen oder -störungen für den Verlauf des Asperger-Syndroms von Bedeutung. Zu den häufigen Begleiterkrankungen zählen Depressionen, zwanghafte Persönlichkeits- oder Zwangsstörungen. Auch Überschneidungen mit ADHS, Tourette-Syndrom und Magersucht können auftreten, was eine Diagnose erschweren kann.

 

 

Asperger-Syndrom: Untersuchung und Diagnose

Da sich das Asperger-Syndrom sehr schwer von anderen Erkrankungen oder Störungen wie tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, Zwangsstörungen, zwanghaften Persönlichkeitsstörungen, schizotypen oder schizophrenen Störungen abgrenzen lässt, ist eine ausführliche ärztliche Untersuchung zur Stellung einer Diagnose wichtig. Bei Kindern sind auf Kinder- und Jugendpsychiatrie spezialisierte Ärztinnen und Ärzte eine Anlaufstelle zur Diagnose des Asperger-Syndroms oder anderer autistischer Störungen. Für Erwachsene sind in diesem Fall Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie oder Psychotherapie zuständig.

Meist wird eine Diagnose in den ersten vier bis elf Lebensjahren gestellt. Die ausführliche Untersuchung bei Verdacht auf das Asperger-Syndrom umfasst:

  • Gespräche mit den Betroffenen und ihren Angehörigen
  • eine Anamnese über frühere und aktuelle Erkrankungen
  • Berichte und Befunde anderer Ärztinnen und Ärzte
  • Beobachtungen anderer, die die Betroffene oder den Betroffenen kennen
  • gründliche körperliche, psychiatrische, neurologische und labormedizinische Untersuchungen

Während der Untersuchungen achtet die Ärztin oder der Arzt bei den Betroffenen auf typische Anzeichen für Asperger-Autismus. Beispielsweise spielen Kinder mit dieser Entwicklungsstörung häufig weniger fantasievoll als gleichaltrige, neurotypische Kinder.

Auch unterschiedliche Tests werden für eine Diagnose herangezogen. Dazu zählen etwa verschiedene Screening-Fragebögen und Beurteilungsskalen. Mit der Australian Scale for Asperger’s Syndrome (ASAS) werden Verhaltensweisen und Fähigkeiten von Kindern im Grundschulalter anhand eines Fragebogens erfasst. Die Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS) schafft verschiedene Situationen für Kinder, die zu einer sozialen Interaktion auffordern. Anhand von Beobachtungen wird eingeschätzt, inwieweit das Kind dieser Aufforderung nachkommt.

Für Erwachsene gibt es Fragebögen, die sie selbst ausfüllen, um die Diagnose von Asperger-Syndrom zu unterstützen, aber auch Fremdbeurteilungsinstrumente wie die Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom (MBAS).

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei dem Asperger-Syndrom?

Da das Asperger-Syndrom nicht heilbar ist, gibt es derzeit keine kausale Therapie. Betroffene können lediglich in ihrem Alltag mit der richtigen Förderung unterstützt werden. Dazu zählt etwa die Verbesserung sozialer Kompetenzen. Da bei Betroffenen die Symptome unterschiedlich ausgeprägt sind, wird nicht immer eine Therapie benötigt. Ist die betroffene Person jedoch stark in ihrem Alltag eingeschränkt, hilft ein individueller Therapieplan.

Die unterschiedlichen Bausteine der Therapie hängen vom Alter der betroffenen Person, dem Schweregrad des Asperger-Syndroms, den individuellen Symptomen sowie etwaigen Begleiterkrankungen oder -störungen ab.

Zu den Behandlungsoptionen zählen verhaltenstherapeutische Verfahren, die vor allem für Kinder entwickelt wurden. Diese können sowohl bei frühkindlichem Autismus als auch bei anderen Formen von Autismus eingesetzt werden.

Zudem kann das Training von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten in der Gruppe hilfreich sein. Dabei können Betroffene soziale Regeln erlernen, die Gesprächsführung üben und soziale Erfahrungen machen.

In einigen Fällen können Verfahren wie Ergotherapie und Physiotherapie eingesetzt werden. Manche Eltern eines Asperger-Syndrom-Kindes konnten positive Veränderungen im Zuge einer Reittherapie oder aktiver Freizeitgestaltungen wie Sporttraining, Musizieren oder Tanzen bei ihrem Kind beobachten.

Besteht eine begleitende Störung oder Erkrankung neben dem Asperger-Syndrom, kann eine Psychotherapie sinnvoll sein. Auch die Einnahme von Medikamenten kann unter Umständen hilfreich sein. Dazu zählen Antidepressiva, Mittel gegen Hyperaktivität oder Zwangshandlungen.

Angehörige von betroffenen Personen können unterstützend für ein überschaubares, vorhersagbares Umfeld sorgen, indem klare, feste Strukturen und Routinen im Alltag geschaffen werden.

Asperger-Syndrom – exzellente Therapiemethoden in den Kliniken der St. Augustinus Gruppe

In den Kliniken der St. Augustinus Gruppe erhalten Patientinnen und Patienten mit Asperger-Syndrom sowie deren Angehörige Unterstützung bei der Verbesserung der Symptome des Asperger-Syndroms sowie der Bewältigung des Alltags. Im Fachbereich Neurologie stehen fachmedizinische Expertinnen und Experten bereit, die Betroffene von der Diagnose bis zur Therapie betreuen. Dank einer modernen Diagnostik und unserem multidisziplinären Team erstellen Ärztinnen und Ärzte individuelle Therapiepläne, um positive Veränderungen zu bewirken und die sozialen Fähigkeiten zu verbessern. Hierbei können sowohl die Bereiche Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie bei Begleitstörungen wie Depressionen unterstützend eingesetzt werden.

Das Team der Neurologie unterstützt Betroffene in der Behandlung ihres Asperger-Syndroms.

Kliniken der St. Augustinus Gruppe mit Schwerpunkt Neurologie

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