Frontotemporale Demenz

Definition, Symptome und Verlauf der Krankheit

Verhält sich eine geliebte Person plötzlich ungewohnt, zeigt soziale Hemmungslosigkeit oder entwickelt Sprachstörungen, denken viele zunächst an psychische Erkrankungen wie eine Schizophrenie. Doch hinter solchen Symptomen kann auch eine frontotemporale Demenz (FTD) stecken – eine seltene, aber tiefgreifende Demenzform. Da sie meist bereits im Lebensalter von 50 bis 60 Jahren auftritt, wird sie auch als Demenz der „jungen Alten“ bezeichnet.

In diesem Ratgeber erfahren Sie, was die frontotemporale Demenz per Definition ist, welche Ursachen sie haben kann und welchen Verlauf sie typischerweise nimmt.

 

Was ist die frontotemporale Demenz?

Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine seltene, meist rasch fortschreitende Erkrankung des Gehirns. Dabei sterben Nervenzellen der Hirnregionen hinter der Stirn und den Schläfen (Frontal- und Temporallappen) ab. Diese Bereiche des Gehirns sind für Emotionen, soziales Verhalten und Sprache zuständig.

Die betroffenen Nervenzellen werden durch Ablagerungen krankhafter Proteine in ihrer Zellfunktion gestört, was erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben wurde. Früher war FTD auch als Morbus Pick oder Picksche Krankheit bekannt.

Wer ist von FTD betroffen?

Eine Frontallappendemenz beginnt im Durchschnitt im Lebensalter zwischen 50 und 60, weshalb sie als Demenz der „jungen Alten“ gilt. Etwa drei bis neun Prozent aller Personen mit einer Demenz sind von dieser Demenzform betroffen. Aufgrund auffälliger Veränderungen im Verhalten oder Sprachstörungen wird die frontotemporale Demenz im Anfangsstadium häufig mit psychischen Krankheiten verwechselt.

Ist die frontotemporale Demenz vererbbar?

Eine Vererbung der frontotemporalen Demenz ist möglich. In etwa 60 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung jedoch ohne erkennbare Prädispositionen auf, was man als sporadische FTD bezeichnet. In den restlichen 40 Prozent der Fälle ist eine familiäre Häufung ersichtlich. Neben Frontallappendemenz können in den betroffenen Familien ähnliche Erkrankungen auftreten wie andere Demenzformen, die Nervenkrankheit ALS oder psychische Erkrankungen wie Depressionen. Dies wird als familiäre FTD bezeichnet.

Ein Teil der familiären Fälle ist durch eine Genmutation der Gene C9orf72, GRN oder MAPT bedingt. Etwa zehn bis 15 Prozent aller Betroffenen mit FTD haben eine solche Genmutation. Kommt es zur Vererbung eines der für frontotemporale Demenz verantwortlichen Gene durch einen Elternteil, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass das Kind an Frontallappendemenz erkrankt.

Symptome der frontotemporalen Demenz

Die anfänglichen Symptome der frontotemporalen Demenz unterscheiden sich von denen anderer Demenzformen wie der Krankheit Alzheimer oder der vaskulären Demenz. Bei Alzheimer treten meist Gedächtnisstörungen auf, während Menschen mit FTD Persönlichkeitsveränderungen, auffälliges Verhalten oder Sprachstörungen bzw. Sprechapraxie entwickeln, da der Temporallappen unter anderem für das Sprachverständnis zuständig ist. Im weiteren Verlauf der frontotemporalen Demenz können auch Störungen der Bewegungen auftreten.

Grundsätzlich lässt sich die frontotemporale Demenz in zwei Hauptformen unterteilen:

Ein Arzt informiert einen Patienten mit frontotemporaler Demenz über die Symptome.

Verhaltensvariante (bvFTD)

Die behaviorale Variante kann mit tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeit oder des Verhaltens einhergehen, auch wenn das Gedächtnis häufig noch weitgehend erhalten ist. Die Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz kann sich durch folgende Symptome äußern:

  • Enthemmung: unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Diebstahl, Berührungen von fremden Personen
  • Apathie: Rückzug aus sozialem und beruflichem Umfeld, Desinteresse an Beziehungen oder Hobbys
  • Verlust von Empathie & emotionale Abstumpfung: Gleichgültigkeit über die Gefühle anderer, fehlendes Einfühlungsvermögen, keine Anteilnahme
  • zwanghaftes Verhalten: wiederholte Handlungen, Anhäufen von Gegenständen, Tägliches Aufsuchen bestimmter Orte
  • Verändertes Essverhalten: übermäßiger Konsum bestimmter Lebensmittel wie Schokolade, Wasser oder Alkohol)
  • Fehlende Einsicht: Betroffene erkennen oft nicht, dass ihr Verhalten von sozialen Normen abweicht
  • Verändertes neuropsychologisches Profil: Defizite bei der Planung und Organisation des Alltags

Sprachvariante (primär progressive Aphasie, PPA)

Je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind, kann bei der Sprachvariante zwischen zwei Formen unterschieden werden:

  • Semantischer Typ: Betroffene verlieren im Verlauf das Verständnis für Wörter. Sie können Begriffe nicht mehr benennen oder beschreiben, obwohl sie deren Bedeutung noch erfassen.
  • Unflüssiger bzw. agrammatischer Typ: Die Sprache wird stockend und fehlerhaft. Zusätzlich können Schluckbeschwerden oder Symptome ähnlich der Parkinson-Erkrankung auftreten.

Zu den möglichen Symptomen einer frontotemporalen Demenz zählen außerdem Störungen der Bewegung. Betroffene können beispielsweise ihre Arme und Hände nicht mehr einsetzen, auch wenn sie ausreichend Kraft haben. Genaue Bewegungsabläufe sind für Erkrankte ebenfalls schwierig zu bewältigen. Auch Gleichgewichtsstörungen oder Schwierigkeiten bei der Orientierung können bei FTD hinzukommen.

 

Wie verläuft die Erkrankung FTD?

Ähnlich wie bei anderen Demenzformen hat auch die frontotemporale Demenz einen schleichenden Verlauf. Auch wenn sie bei manchen Menschen schnell voranschreitet und bei anderen über Monate unverändert bleibt, kann zwischen drei Stadien unterschieden werden: 

Frühes Stadium

Je nach Subtyp der frontotemporalen Demenz unterscheiden sich die ersten Symptome.

Menschen mit der Verhaltensvariante (bvFTD) zeigen Veränderungen in ihrer Persönlichkeit und ihrem Verhalten. Bereits im Anfangsstadium der frontotemporalen Demenz wird das Verhalten von Betroffenen nicht als krankhaft erkannt und die Einsicht über die eigene Erkrankung fehlt.

Bei der Sprachvariante (primär progressive Aphasie) können im frühen Stadium Sprachstörungen, Schwierigkeiten beim Verstehen, Lesen oder Schreiben im Vordergrund stehen. Betroffene mit der unflüssigen Form können trotz ihrer sprachlichen Einschränkungen ihren Alltag häufig noch selbstständig bewältigen.

Mittleres Stadium

Im mittleren Stadium verstärken sich die Symptome der jeweiligen Subvariante.

Bei der Verhaltensvariante können emotionale Abstumpfung, Impulsivität und soziale Enthemmung weiter zunehmen.

Betroffene der Sprachvariante entwickeln häufig Wortfindungsstörungen oder sprechen langsamer und weniger flüssig.

In diesem Stadium benötigen viele Betroffene Unterstützung im Alltag, etwa bei der Körperpflege, beim Anziehen oder bei der Organisation ihres Alltags. Insbesondere Personen mit der Verhaltensvariante benötigen häufig eine umfassende Betreuung, da sie unvorhersehbar handeln und ihre Umgebung herausfordern können.

Spätes Stadium/ Endstadium

Im Endstadium ähneln die Symptome frontotemporaler Demenz zunehmend denen anderer Demenzformen wie Alzheimer. Gedächtnis, Verhalten und Sprache sind dann meist gleichermaßen beeinträchtigt. Auch körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Schluckbeschwerden oder Muskelsteifheit können im Endstadium auftreten.

Menschen mit fortgeschrittener Frontallappendemenz sind auf umfassende Pflege angewiesen. Am häufigsten versterben Betroffene durch eine Lungenentzündung, die durch ein schwaches Immunsystem oder Schluckprobleme auftreten kann. Im Durchschnitt vergeht zwischen dem ersten Auftreten der Symptome und dem Endstadium der Erkrankung eine Zeitspanne von sieben bis 13 Jahren.

Frontotemporale Demenz: Diagnose

Die frontotemporale Demenz ist häufig nicht sofort erkennbar. Insbesondere die Verhaltensvariante kann leicht mit einer Depression, Manie, dem Burnout-Syndrom oder der Schizophrenie verwechselt werden. Daher ist es wichtig, die Diagnose schrittweise und sorgfältig zu stellen:

  1. Bei der Anamnese erhebt die Ärztin oder der Arzt die Krankengeschichte und prüft kognitive Fähigkeiten wie das Gedächtnis. Zusätzlich werden Bewegungsfähigkeit, Muskelkraft, Sensibilität, Reflexe, Koordination und Gleichgewichtssinn untersucht
  2. Zur weiteren Einschätzung werden die Angehörigen befragt. Besonders bei der Verhaltensvariante können die Beobachtungen der Angehörigen wichtige Hinweise liefern.
  3. Eine psychiatrische Untersuchung hilft dabei, andere Erkrankungen wie Depressionen oder Schizophrenie auszuschließen.
  4. Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Temporallappen sowie den Frontallappen des Gehirns erkannt werden.
  5. Neuropsychologische Tests erfassen Einschränkungen beim Planen, beim Urteilsvermögen, in der Sprache oder im sozialen Verhalten.
  6. Ein Gentest kann zeigen, ob eine Vererbung der frontotemporalen Demenz vorliegt.

Behandlung der frontotemporalen Demenz

Die frontotemporale Demenz ist nicht heilbar. Die Behandlung zielt darauf ab, Symptome zu lindern und die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

Medikamentöse Behandlung

Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten können häufig mit bestimmten Medikamenten gelindert werden. Allerdings reagiert jede Person unterschiedlich auf eine medikamentöse Behandlung, sodass die Therapie der frontotemporalen Demenz immer in enger Absprache mit dem ärztlichen Team erfolgen sollte.

Nicht-medikamentöse Therapieformen

Kreative Angebote wie Kunst- oder Musiktherapie sowie körperliche Aktivierung können helfen, Verhaltensauffälligkeiten zu mildern. Bei der Sprachvariante – etwa bei Sprechapraxie oder Sprachstörungen – kann eine logopädische Therapie sinnvoll sein. Bei Problemen mit Bewegung und Koordination kann eine Ergotherapie unterstützen.

Um Betroffenen den Alltag zu erleichtern, hilft eine helle, sichere und vertraute Umgebung sowie strukturierte Tage mit Routinen. Regelmäßige Aufgaben und sinnvolle Aktivitäten fördern das Selbstwertgefühl und lassen Menschen mit frontotemporaler Demenz spüren, dass sie gebraucht werden.

Was bedeutet eine Erkrankung an FTD für Betroffene und Angehörige?

Der Verlauf einer frontotemporalen Demenz kann sowohl Patientinnen und Patienten als auch Angehörige und Pflegende vor große Herausforderungen stellen. Durch Bewegungseinschränkungen kann es bei Betroffenen häufig zu Stürzen und anderen Unfällen kommen. In vielen Fällen wird eine Pflege rund um die Uhr notwendig.

Angehörige sollten allerdings nicht das eigene Leben, die eigenen Bedürfnisse und persönlichen Grenzen außer Acht lassen. Die Betreuung ist ab einem gewissen Punkt allein nicht mehr zu bewältigen, sodass Angehörige frühzeitig über eine häusliche oder stationäre Pflege nachdenken sollten. Zudem sollten finanzielle und rechtliche Fragen besprochen werden, solange die betroffene Person noch dazu in der Lage ist.

Frontotemporale Demenz – hervorragende Therapiemethoden in den Kliniken der St. Augustinus Gruppe

In den Kliniken der St. Augustinus Gruppe erhalten Menschen mit frontotemporaler Demenz sowie ihre Angehörigen umfassende Unterstützung – sowohl bei der Linderung der Symptome als auch bei der Bewältigung des Alltags. Im Fachbereich Neurologie begleiten erfahrene medizinische Fachkräfte die Patientinnen und Patienten von der Diagnose bis zur langfristigen Therapie.

Dank moderner Diagnostik und der engen Zusammenarbeit in unserem multidisziplinären Team entwickeln unsere Ärztinnen und Ärzte individuelle Behandlungspläne, um die Lebensqualität und das allgemeine Wohlbefinden gezielt zu verbessern. Ziel ist es, geistige und motorische Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten. Hierbei können sowohl Maßnahmen aus der Ergotherapie, Psychotherapie als auch der Logopädie unterstützend eingesetzt werden.

Das Team der Neurologie unterstützt Betroffene in der Behandlung ihrer frontotemporalen Demenz.

Kliniken der St. Augustinus Gruppe mit Schwerpunkt Neurologie

Das sagen unsere Expertinnen und Experten zum Thema frontotemporale Demenz

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