Alkoholkrankheit und -abhängigkeit

Symptome, Ursache und Folgen der Alkoholsucht

Alkohol gehört in Deutschland für viele Menschen zum Alltag. Im Durchschnitt trinkt jede deutsche Person 136 Liter jährlich, was fast einem halben Liter pro Tag entspricht. Nicht nur bei gesellschaftlichen Anlässen, sondern auch bei Stress oder schwierigen Gefühlen greifen viele zum Alkohol. Die Alkoholkrankheit entwickelt sich dabei meist schleichend und wird erst spät entdeckt. Dabei können sich bereits frühzeitig psychische und physische Folgeschäden entwickeln, die ebenfalls eine Behandlung erfordern. Wie eine Alkoholsucht entsteht, welche Anzeichen, Symptome, Folgen sie haben kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erfahren Sie in diesem Ratgeber.

Definition: Was versteht man unter einer Alkoholsucht?

Bei der Alkoholkrankheit handelt es sich um eine psychische Erkrankung mit möglichen weiteren gesundheitlichen Folgen. Sie entwickelt sich in den meisten Fällen schleichend über mehrere Jahre, wodurch Betroffene oft nicht von ihrer Erkrankung wissen. Erst in den 1950er Jahren nahm die American Medical Association (AMA) die Alkoholsucht als chronische Krankheit auf. Es wurden daraufhin Initiativen zur Aufklärung und Behandlungsmöglichkeiten entwickelt, die die Alkoholerkrankten bei der Behandlung ihrer Abhängigkeit unterstützen. Heute findet sich der Alkoholismus sowohl in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (englisch ICD) als auch im diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM).

Bei einem Alkoholmissbrauch bzw. schädlichem Gebrauch beeinträchtigt der vorliegende Alkoholkonsum einer Patientin oder eines Patienten die physische und körperliche Gesundheit deutlich. Auch Folgeerkrankungen können aufgrund der Alkoholsucht auftreten. Laut ICD müssen drei von sechs Kriterien im letzten Jahr aufgetreten sein, um von einer Alkoholkrankheit zu sprechen:

  • Es besteht ein starker Wunsch oder Zwang, Alkohol zu trinken.
  • Die Betroffenen leiden unter körperlichen Entzugssymptomen wie Schwitzen oder Zittern.
  • Die Alkoholtoleranz erhöht sich zunehmend, wodurch größere Mengen Alkohol konsumiert werden.
  • Die Kontrolle über die Menge sowie den Beginn und das Ende des Konsums ist geringer.
  • Alkohol wird weiterhin konsumiert, obwohl Folgeerkrankungen, wie Leberschäden, nachweisbar und der Patientin bzw. dem Patienten bekannt sind.
  • Neben dem Alkoholkonsum treten andere Interessen zunehmend in den Hintergrund und werden eventuell vernachlässigt.

Wie entsteht eine Alkoholsucht?

Viele Menschen reagieren auf geringe Mengen Alkohol mit einer euphorischen oder entspannten Stimmung sowie weniger Hemmungen und Ängsten. Je nach Veranlagung können jedoch auch negative Stimmungen auftreten, etwa depressive Verstimmungen oder ein aggressives Verhalten. Wie andere Suchtmittel kann Alkohol deshalb gezielt eingesetzt werden, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Da sich der Körper an die Alkoholdosis gewöhnt, wird eine zunehmend höhere Menge nötig, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Auch kann das Gehirn im Laufe der Zeit bestimmte Situationen mit dem Trinken von Alkohol verbinden. Tritt eine ähnliche Situation auf, empfinden die Betroffenen einen starken Drang, Alkohol zu konsumieren. Diese Mechanismen können den Weg in den Alkoholmissbrauch ebnen und als Ursache für die Alkoholsucht fungieren.

Die Wahrscheinlichkeit, Alkohol zu missbrauchen und von ihm abhängig zu werden, kann von verschiedenen Faktoren abhängen:

Psychische Faktoren

Menschen, die ihre psychischen Bedürfnisse weniger gut kontrollieren können, besitzen ein höheres Risiko für eine Alkoholkrankheit als jene, die Stress gut bewältigen können und ein gutes Selbstwertgefühl besitzen. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Phobien, Traumata oder Einsamkeit können ebenfalls zu der Entwicklung zur Krankheit Alkoholismus beitragen.

Soziale Faktoren

Auch der soziale Druck von außen, etwa bei Jugendlichen im Freundeskreis, Missbrauch, Notsituationen, Armut oder Gewalt können eine Rolle für das Risiko einer Alkoholsucht spielen.

Biologische Faktoren

Zusätzlich zu den psychischen und sozialen Komponenten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, an einer Alkoholabhängigkeit zu erkranken, um das Drei- bis Vierfache, wenn eine verwandte Person ebenfalls von einer Alkoholsucht betroffen ist. Annahmen zufolge beeinflussen zu 40 bis 65 Prozent die Gene, ob ein Mensch mit einer Alkoholkrankheit leben wird oder nicht. Biochemische Anlagen können zudem dazu führen, dass Menschen bereits auf ein geringes Maß an Alkohol reagieren, wodurch sie mehr konsumieren als andere, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Ebenso können bestimmte Gene einen schnelleren Alkoholabbau im Körper fördern, was die Nebenwirkungen reduziert und die konsumierte Menge erhöhen kann.

Psychische und physische Anzeichen bei einer Alkoholsucht

Der Konsum von Alkohol und dessen Abhängigkeit kann sich sowohl kurzfristig als auch langfristig auf den Körper auswirken. Unterschieden wird hierbei zwischen körperlichen und psychischen Symptomen sowie jenen, die bei einem Alkoholentzug auftreten:

  • Psychische Symptome: euphorische Stimmung, geringere Hemmschwelle, Tunnelblick bis hin zur Fahrunfähigkeit, epileptische Krampfanfälle, depressives oder aggressives Verhalten 
  • Physische Symptome: Appetit- und Gewichtsverlust, gerötete Gesichtshaut, vermehrte Schweißproduktion, Schlafstörungen, je nach Menge langsamere Reflexe, Verletzungen oder Unfälle durch den Alkoholkonsum
  • Entzugssymptome: körperliche Symptome wie innere Unruhe, Zittern, Schlafstörungen und Schwitzen, Kreislaufprobleme und Verwirrtheit 

Darüber hinaus können organische Folgeerkrankungen entstehen.

 

Eine Gruppe Betroffener tauscht sich über ihre Erlebnisse mit der Alkoholkrankheit aus.

Die Langzeitfolgen der Alkoholkrankheit für den Körper und die Psyche

Bereits geringe Mengen Alkohol können sich auf fast alle Organe des Körpers schädlich auswirken. Studien ergaben bspw., dass ein regelmäßiger Alkoholkonsum über einen längeren Zeitraum Teile des Gehirns schrumpfen lässt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür lag bis zu dreimal höher als bei der Vergleichsgruppe. So ist Alkohol an mehr als 200 Krankheiten psychischer und körperlicher Natur beteiligt. Besonders jüngere Personen können die negativen Folgen des Alkoholkonsums stark betreffen.

Zu den psychischen Folgen bei der Alkoholsucht zählen:

  • Depressionen
  • Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS und komplexe PTBS)
  • Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS)
  • Störungen der Persönlichkeit wie Borderline 
  • Demenz und das Wernicke-Korsakow-Syndrom, eine Gedächtnisstörung, deren Ursache in der Alkoholkrankheit liegt
  • Störungen im Essverhalten
  • weitere Suchterkrankungen, bspw. gegenüber Tabak, Glücksspiel oder illegalen Drogen
  • Krampfanfälle
  • Störungen im Bewusstsein sowie Psychosen
  • Stimmungsschwankungen
  • Nervenschäden wie Polyneuropathie

Zu den physischen Krankheiten bei lang andauerndem Alkoholismus gehören:

  • Organschäden wie Magenschleimhaut- und Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Sodbrennen, Lebererkrankungen, z. B. Zirrhose und Fettleber, Herzschäden wie Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen, Nierenversagen
  • Gehirnschäden und Schlaganfälle
  • Krebs in Leber, Mund, Rachen, Speicheröhre, Darm oder Magen
  • Potenzstörungen, geschrumpfte Hoden und sexuelle Funktionsstörungen
  • Hepatitis
  • Muskelschwund
  • Hautveränderungen
  • Blutgerinnungsstörungen und Blutarmut
  • Geschwächtes Immunsystem
  • Übergewicht und Diabetes mellitus

Zusätzlich zu den physischen und psychischen Folgen kann die Alkoholkrankheit soziale Folgen nach sich ziehen, etwa die Gefährdung des Arbeitsplatzes, wenn durch eine geringere Leistungsfähigkeit die Qualität der erwarteten Arbeit nicht mehr geleistet werden kann. Verringerte Reaktionszeiten und eine geringere Wahrnehmung können zudem Unfälle begünstigen und die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen. Eine Alkoholsucht bezieht sich außerdem nicht nur auf die erkrankte Person, sondern kann sich auch als Co-Abhängigkeit auf nahe Umstehende wie Freunde, Partner und Kinder auswirken. Einige Betroffene ziehen sich aufgrund der Alkoholprobleme auch aus dem Sozialleben zurück, wodurch soziale Kontakte abbrechen und ein Gefühl der Einsamkeit und Depression entsteht.

Diagnose und Behandlung der Alkoholkonsumstörung

Die Diagnose einer Alkoholkrankheit erfolgt anhand der im ICD oder DSM definierten Kriterien, von denen mindestens drei (ICD) bzw. zwei (DSM) aufgetreten sein müssen, entweder 

  • in den letzten zwölf Monaten oder
  • innerhalb von vier Wochen mit täglichem Alkoholkonsum

Hierzu werden Patientinnen und Patienten auf sowohl akute körperliche, psychische Begleiterkrankungen sowie eventuelle Entzugserscheinungen befragt und untersucht. Stellt eine Ärztin oder ein Arzt die Diagnose Alkoholkrankheit, kann die Behandlung beginnen:

Personen üben auf Matten Achtsamkeitsübungen zur Stressbewältigung einer Alkoholkrankheit.

Psychoedukation

Das Wissen um Abhängigkeitserkrankungen wie die Alkoholkrankheit kann die Motivation stärken, das Leben und den Umgang mit Alkohol nachhaltig zu verändern. Dies kann den Erfolg der anschließenden Entzugsbehandlung unterstützen.

Entgiftung

Die Entgiftung kann entweder ambulant oder stationär erfolgen. Werden starke Entzugssymptome erwartet, empfiehlt sich die stationäre Entzugsbehandlung, bei der auch unterstützende Medikamente wie Clomethiazol, Nalmefen oder Benzodiazepine eingesetzt werden können. Diese dauert in der Regel zwischen vier und sechs Monaten. Die ambulante Behandlung durch Suchtberatungsstellen, Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Psychiaterinnen und Psychiatern dauert etwa ein Jahr. Diese kann gemeinsam mit anderen Patientinnen und Patienten als Gruppenbehandlung erfolgen, aber auch als Einzeltherapie.

Vorsorge

Gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten werden Therapiepläne für die Patienten bzw. den Patienten entwickelt, sowohl während des Entzugs als auch in der Zeit danach. In dieser Zeit können auch Alkoholabbauprodukte gemessen und deren Verringerung als Motivation für die Patientinnen und Patienten genutzt werden. Zusätzlich eignen sich standardisierte Fragebögen wie der AUDIT, um einen Rückfall frühzeitig erkennen und dagegen intervenieren zu können.

Suchthilfenetzwerk

Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können die Patientinnen und Patienten während der ambulanten Entzugsbehandlung, während der Rehabilitation und nach der Therapie unterstützen. Diese wirken auf viele Patientinnen und Patienten positiv und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Abstinenz.

Welche Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente bei einer Alkoholabhängigkeit schließlich zum Einsatz kommen, entscheiden das Ärzteteam sowie die Patientinnen und Patienten individuell anhand der vorliegenden Symptomatik und den Lebensumständen.

Alkoholsucht: Welche Möglichkeiten zur Rehabilitation gibt es?

Nach der Entzugsbehandlung gilt es, die Erfolge aufrechtzuerhalten und das Risiko für Rückfälle zu verringern. Besonders Betroffene, die über einen längeren Zeitraum regelmäßig Alkohol konsumieren, entwickeln ein sogenanntes Suchtgedächtnis, das die dauerhafte Abstinenz nach vorhergehender Alkoholabhängigkeit erschwert. Ein individueller Behandlungsplan für die Patientinnen und Patienten nimmt daher einen hohen Stellenwert bei der Therapie der Alkoholkrankheit ein. 

Auch nach dem ambulanten oder stationären Entzug finden Patientinnen und Patienten Unterstützung in Rehabilitationstherapien, die sie ebenfalls ambulant oder stationär bei Alkoholproblemen wahrnehmen können. Zusätzlich zur Behandlung der Alkoholkrankheit können weitere Therapiemöglichkeiten zum Einsatz kommen, etwa wenn weitere psychische oder körperliche Erkrankungen vorliegen und den Weg zurück in den Alltag erschweren. Die Rehabilitation bzw. Nachsorge setzt sich daher zum Ziel, diese Erkrankungen zu therapieren und für die seelische Stärkung zu sorgen. Etwa durch das Fördern des Selbstvertrauens, das Erlernen neuer Verhaltensweisen sowie Unterstützung bei Ängsten oder Problemen, die in einen Rückfall und so eine neue Alkoholkonsumstörung drängen könnten. Hierbei können helfen:

  • Selbsthilfegruppen mit anderen Betroffenen
  • Einzel- oder Familientherapien
  • Selbsthilfeorganisationen
  • Ambulante Beratungen
  • Rehabilitationsprogramme inkl. einer Psychotherapie sowie einer Einzel- und Gruppentherapie
  • Je nach Indikation eine medikamentöse Therapie mit bspw. Disulfiram, Nalmefen, Naltrexon oder Acamprosate

Alkoholkrankheit – exzellente Therapiemethoden in den Kliniken der St. Augustinus Gruppe

In den St. Augustinus Gruppen finden Patientinnen und Patienten Unterstützung bei der ganzheitlichen Behandlung ihrer Alkoholkrankheit. Im Fachbereich Psychiatrie erhalten sie nicht nur eine fachmedizinische Diagnose, sondern auch verschiedene interdisziplinäre Therapieansätze vor, während und nach der Entzugsbehandlung. Da die Alkoholkonsumstörung häufig verschiedene psychische und körperliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann, stehen ihnen ebenfalls Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Angsttherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Angsttherapie sowie Rehabilitation zur Seite. Jede Alkoholsucht sowie ihre Symptome und Begleiterkrankungen sind individuell, deshalb erhalten unsere Patientinnen und Patienten auf sie zugeschnittene Therapiepläne und Behandlungsmethoden. So können sie ihre Lebensqualität erhöhen und in ihren Alltag mit Beruf, Freunden und der Familie zurückkehren.

Das Team der Psychiatrie unterstützt die Patientinnen und Patienten bei der Behandlung ihrer Alkoholkrankheit.

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